Verändern oder verändert werden – Unternehmens-IT im Wandel
Im Jahr 2003 schrieb Nicholas Carr, Professor der Harvard Business School, einen bemerkenswert provokanten Artikel mit dem Titel „IT Doesn’t Matter“. In ihm stellte Carr unter anderem die seinerzeit gewagte Behauptung auf, dass „die nahezu unendliche Skalierbarkeit vieler IT-Funktionen ... die meisten proprietären Anwendungen zur ökonomischen Obsoleszenz verurteilt. Unternehmen werden ihre IT-Anforderungen in Zukunft einfach durch den Erwerb kostenpflichtiger Web-Services von Dritten erfüllen – ganz ähnlich, wie das derzeit bei Strom- oder Telekommunikationsdienstleistungen üblich ist.“ Mit anderen Worten: Nicholas Carr sagte bereits 2003 voraus, dass Unternehmen in Zukunft IT als Dienstleistung über das Internet nutzen. 2003 war Amazon noch eine Buchhandlung, heute ist AMAZON ein führender Anbieter von On-Demand-Infrastruktur über das Internet.
Tatsache ist, dass externe Faktoren heute stärker disruptiv auf die IT einwirken, als dass sie selbst verändernd wirkt. Ähnlich wie Nicholas Carr eine enorme Unsicherheit mit Blick auf die Zukunft der IT heraufbeschwor, sind heute die Reaktionen auf die Fokussierung der IT-Branche in Richtung von „IT als Business“ zu verstehen. Die Branche spricht heute über DevOps und Digitalisierung und es wird immer deutlicher, dass die IT einen Neustart benötigt. Drei Thesen dazu:
Die IT wird sich komplett verändern.
Wenn man die aktuellen Diskussionen über die Neuausrichtung von einer prozessorientierten zu einer risikobasierten Organisation verfolgt, wird klar, dass DevOps mehr als nur ein Schlagwort ist. IT-Organisationen müssen eine Struktur aufbauen, die den schnellen Wandel unterstützt. Der DevOps-Gedanke kann dabei als eine bereichsübergreifende, unternehmensweite Kollaboration von Fachabteilung, Entwicklern, Testern und Administratoren verstanden werden.
DevOps ist nicht die Antwort, aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Die DevOps-Bewegung ist nur der Anfang eines neuen Paradigmas, wie Unternehmen ihre IT betreiben. Trotz der vielen Verbesserungen, die DevOps-Praktiken bislang schon der Branche gebracht haben, gibt es immer noch weit klaffende Löcher, gerade im Hinblick auf die langfristigen Auswirkungen von Entwicklungen. Dies gilt insbesondere für Prozesse, die die Produktion, die leichte Protokollierung von Änderungen und die Skalierung von Feedback Loops unterstützen.
Gefragt ist eine neue Einstellung der IT.
Der Weg weist weg von der Weisungsorientierung und hin zur einem Mindset eines überschaubaren Risikos. Diese Veränderung erfordert deutlich mehr Fachwissen. Viele ITSM-Profis kämpfen derzeit damit, wie sich die IT Infrastructure Library (ITIL) an DevOps anpassen lässt – was eigentlich die falsche Frage ist.
Trends im IT-Service-Management (ITSM)
Im ITSM ging es schon immer darum, wie die IT ihre Aufgaben bewältigt. Die Disruption des traditionellen ITSM-Ansatzes wirkt fundamental: IT wird nicht länger als eine separate Fachabteilung gesehen, sondern als verteilte Kompetenz im ganzen Unternehmen. Immer mehr Abteilungen besitzen dabei ihre eigene IT-Funktion. BRM- (Business Relationship Management), Sicherheits- und andere ITSM-Funktionen verlagern dabei den Fokus von der IT auf das Unternehmen als Ganzes. IT ist heute so entscheidend für den Geschäftsbetrieb, dass Business- und IT-Services mittlerweile als gleichberechtigt gelten. Die meisten ITSM-Lösungen wurden ursprünglich für die Verwaltung von Arbeitslast-Queues/Warteschlangen entwickelt. In der heutigen digitalen Wirtschaft sind sie jedoch inzwischen grundlegende Business-Services. IT-Lieferanten und Service-Provider bilden heute eine vielschichtige Struktur, in der dringend Transparenz und Automatisierung erforderlich sind, um Sicherheit und Geschwindigkeit zu gewährleisten.
Leider versagen traditionelle ITSM-Lösungen hier. Kunden brauchen weitreichendere Lösungen, die das Design und die Konfiguration komplexerer Workflows auf der Basis kontextueller Daten, Ereignisse und Risiken unterstützen. Mit der steigenden Nachfrage nach IT-Analysten und -Managern müssen die ITSM-Tools auch eine bessere Entscheidungsfindung unterstützen, entsprechend ständig verfügbar und einfach zu bedienen sein.
ITSM im Jahr 2020
Bis 2020 ist es nicht mehr so lang hin und vermutlich werden die meisten Unternehmen ihr ITSM gegenüber heute nicht verändern. Es wird weiterhin zum Alltag gehören, Dingen, die kaputtgehen, zu reparieren und auf Veränderungen zu reagieren, die nicht vernünftig gehandhabt wurden. Allerdings gibt es progressive Organisationen, die heute schon Maßstäbe in Bezug auf Leistung und operative Exzellenz setzen. Dies zwingt diejenigen Organisationen, die diesen Veränderungsprozessen hinterherhinken, ihre IT-Prozesse zu überdenken.
DevOps wird sich kontinuierlich zu einem „Best-Practice“-Framework weiterentwickeln. Da immer mehr „How-to-dos“ innerhalb der Branche dokumentiert und validiert werden, werden sich Standards rund um das gesamte Lifecycle-Management von IT-Services etablieren. Es wird auch nachhaltige Anstrengungen geben, die Kompetenzlücke beim IT-Asset-Management zu füllen. Da die Anforderungen an mehr Sicherheit und Langlebigkeit seitens IT-Assets und -Lieferanten steigen werden, wird auch der Bedarf an Analysen und Echtzeit-Berichten kontinuierlich wachsen. ITSM-Profis sind daher heute gut beraten, sich intensiv mit Lean IT-Management, agiler Softwareentwicklung, Feedback Loops und Software Defined Infrastructure zu beschäftigen. Diese Bereiche verändern das traditionelle ITIL-Denken grundlegend und erfordern neue Kompetenzen, Prozesse und Werkzeuge zur Unterstützung der Unternehmens-IT im Jahr 2020.
* Matt Hooper ist Evangelist für IT-Service-Management bei Ivanti.